Kanzlerdämmerung

Wirtschaftswachtum in Deutschland

Deutschland steht vor einer wichtigen Bundestagswahl. Nach nur drei Jahren zerbrach die Ampelkoalition. Weder war sie in der Lage, einen gesetzeskonformen Haushalt für das Jahr 2025 aufzustellen, noch konnte man sich angesichts des zweiten Rezessionsjahrs auf eine gemeinsame Wirtschaftspolitik einigen. Auf der einen Seite standen die Grünen mit einer stark in den Wirtschaftsprozess eingreifenden aktiven Industriepolitik. Sie wollten entscheiden, welche Bereiche gefördert und welche belastet werden sollten. Auf der anderen stand die eher marktorientierte FDP, deren Fokus auf der liberalen Gestaltung von Rahmenbedingungen liegt. Sie vertraut darauf, dass die Konkurrenz auf den Märkten die erfolgreichsten Lösungen hervorbringt. Kanzler Scholz gelang es nicht, diese Antipoden zusammenzuführen.

Wirtschaftskrisen führten in Deutschland in den letzten 50 Jahren häufig zu Kanzlerwechseln. Die Grafik zeigt für 1970 bis 2024, wie stark die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr prozentual zulegte. Gemessen wird die Wirtschaftsaktivität an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, das berechnet, wieviel Werte in einem Jahr neu geschaffen werden. Unterhalb der Grafik sind die jeweiligen Kanzler und die Regierungsparteien dargestellt.

Willy Brandt, 1969 zum ersten SPD-Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt, wurde während der ersten Ölkrise von Helmut Schmidt entmachtet, der schließlich selbst an der zweiten Ölkrise scheiterte. Beide Krisen gingen mit stark steigenden Energiekosten einher, was nicht nur die Unternehmen, sondern auch die privaten Haushalte vor erhebliche Probleme stellte. Die nächste Krise ging erneut vom Nahen Osten aus. Im August 1990 überfiel der Irak das Emirat Kuwait. Obwohl die Ölquellen brannten, kam es diesmal nicht zu einer Ölpreisexplosion, da es zahlreiche Ölförderländer außerhalb des Nahen Ostens gab, die die Versorgung stabil halten konnten. Doch verunsicherte dieser Krieg die Wirtschaft. Weltweit kam es zu einer Rezession. Deutschland, beschäftigt mit der Wiedervereinigung, traf diese Krise erst zeitverzögert. Helmut Kohl überstand die Wahl von 1992, weil er vom Nimbus des Wiedervereinigungskanzlers profitierte. Doch erstarrte danach die CDU-geführte Regierung und wurde schließlich nach 16 Jahren 1999 durch die erste Rot-Grüne Koalition unter Gerhard Schröder abgelöst.

Die nächste große Krise war die Dotcom-Krise. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickelte sich das Internet zur universellen Kommunikationsplattform. Neue Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen drängten in die Wirtschaft. Ihre Börsenkurse schossen in die Höhe, obwohl die Gewinne weitgehend ausblieben. Eine abrupte Kurskorrektur war unausweichlich; die Dotcom-Blase platzte. Die massive Abwertung von Vermögenswerten beeinträchtigte Investitionen und Konsum weltweit. Vom Jahr 2002 an schrumpfte die deutsche Wirtschaft zwei Jahre lang. Obwohl die Regierung die Kraft entwickelte, tiefgreifende und erfolgreiche wirtschaftliche Reformen durchzuführen (Hartz-IV-Gesetze), wurde sie für das schwache Wirtschaftswachstum verantwortlich gemacht und verlor die Wahl 2005. Angela Merkel trat an. In ihre Zeit fiel die Finanzkrise von 2009 mit einem bis dahin nie gesehenen wirtschaftlichen Einbruch um knapp 6 %. Die Wahl des gleichen Jahres überstand Sie mit nur geringen Verlusten, während der Koalitionspartner SPD über 10 %-Punkte verlor. Die Wähler trauten der FDP mehr wirtschaftliche Kompetenz zu. Sie zog mit fast 15 % in den neuen Bundestag ein und wurde neuer Partner in der Regierung. Nach der Bundestagswahl Ende 2013 wurde die FDP wieder durch die SPD ausgetauscht. Am Ende der 16jährigen Ära Merkel trafen Ideenlosigkeit und Coronakrise zusammen. Ein Wechsel lag in der Luft. Die schwarzrote Koalition hatte keine Überlebenschance. Die Ampelkoalition wurde aus der Taufe gehoben.

Wird es nun erneut zu einem Kanzlerwechsel kommen? Vieles spricht dafür. Nicht nur, dass aktuelle Umfragen in diese Richtung deuten, auch die wirtschaftliche Bilanz der aktuellen Regierung wird die deutschen Wähler nicht überzeugen. Zwei Jahre Rezession haben ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur Unternehmen leiden unter gestiegenen Energiekosten, auch die privaten Haushalte spüren es im Portemonnaie. Dass diese Rezession nicht nur eine Folge des Ukrainekriegs ist, zeigt ein Blick auf die europäischen Nachbarn. Deutschland trägt seit fast 4 Jahren die rote Laterne des Wachstums unter den 4 großen Ländern im Euroraum (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien). Die Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition ist gescheitert. Einer konservativ geführten Regierung wird derzeit mehr Wirtschaftskompetenz zugetraut als einer SPD geführten.

Einziger Unterschied zur Vergangenheit ist die zunehmende Zersplitterung des Parteiensystems. Mehrheitskoalitionen zu schmieden, wird zunehmend schwieriger. Bleibt das Thema Wirtschaft in den kommenden Wochen im Fokus, ist die Wahrscheinlichkeit eines Kanzlerwechsels sehr groß. Mit welcher Parteienkonstellation der neue Kanzler gewählt werden wird, lässt sich jedoch kaum vorhersagen.

 

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